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Eine Woche im Juli 2019: Während der Sommerferien findet auf dem Platz ohne Namen vor der Salzmannschule das Projekt Kaleidoskop Südpark statt: Ein künstlerisches, interaktives Projekt, das sich in erster Linie an Kinder richtete. Schon am Morgen standen die ersten Kinder auf dem Platz und wollten loslegen, jeden Tag kamen Kinder aus dem Hort dazu, es wurden immer mehr, denn es sprach sich rum, dass auf dem Platz etwas passierte.

Initiiert und durchgeführt wurde das Projekt von Maike Fraas, Maik Ronz und Johanna Padge, die im Quartier bereits mehrere Projekte durchgeführt haben. „Das Kaleidoskop ist der Höhepunkt einer ganzen Reihe von Aktivitäten, die in den letzten zwei Jahren hier im Südpark stattgefunden haben und wo im Prinzip alles, was wir bisher hier vor Ort gemacht haben, mit Kindern und Anwohnern und Akteuren zusammengeführt wird zu einem Spektakel und einer Mischung aus generationsübergreifendem Abenteuerspielplatz und jeder Menge Spaß beim Machen und Tun.“

So beschreibt Maik Ronz die Aktivitäten vor Ort. Über die Jahre gewachsene Kontakte in das Quartier halfen dabei, das Projekt publik zu machen und möglichst viele Kinder dafür zu begeistern. Bereits zwei Wochen zuvor war mit dem Bauen auf dem Platz begonnen worden, auch in dieser Phase waren bereits Kinder involviert und unterstützen die eingeladenen Gestalter*innen und Künstler*innen beim Aufbau der Infrastruktur, die aus einem Container, einem aufgeschütteten Hügel samt Aussichtsplattform, einem Pavillon, einer Agora und einer mobilen Küche bestand.

Das Ziel war, gemeinsam den Platz ohne Namen zu gestalten und ihn in eine ‚Zone des Gemeinsamen‘ zu verwandeln. Dafür konnten die Kinder selbständig entscheiden, worauf sie Lust hatten: in der Küche zu helfen, einkaufen zu gehen, Gemüse zu schnippeln, zu kochen und abzuwaschen, oder etwas zu bauen: dafür lag in der Bauwerkstatt Werkzeug wie Stichsägen, Nägel und Farben bereit. Es entstanden mehrere Hütten, darunter ein Museum und eine Radiostation, der zugleich als Kiosk genutzt wurde. Gebaut wurden aber noch andere Sachen: kleine Skulpturen und Architekturen aus Lehm zum Beispiel, wobei der Lehm zuvor eigenhändig aus Erde und Wasser zusammengemischt wurde. Aus Holz wurde ein Boot gezimmert, zu Wasser gelassen und als Ausflugsdampfer und Forschungsschiff benutzt. Ausgerüstet mit einem Kescher gingen die Kinder auf See und sammelten allerlei Gegenstände vom Boden des Kanals auf, die dann einen Platz im Museum fanden. Exkursionen gab es auch beim Angebot Was hörst du?, bei dem die Kinder in Kleingruppen loszogen, ausgestattet mit Aufnahmegeräten und Kopfhörern in weiß und rosa, um Geräusche zu sammeln und Interviews zu führen. Einige der Sounds wurden auf der Karte des Quartiers eingezeichnet, die Luise Ritter grob vorgezeichnet hatte, und die im Projektverlauf immer weiter ausgemalt und verfeinert wurde. Ergänzt wurden die Angebote durch zwei Studenten der Medienkunst aus Weimar, Nicolas Schönberger und Marius Macarei, die für einen Tag vorbeikamen und Kameras und Tablets mitbrachten, um Selfies und Dokumentationsfotos zu machen und anschließend zu animieren.

Bei allen Aktivitäten geht es darum, die Kinder selbständig agieren zu lassen und sie zu Erkundigungen und Aneignungen ihres Quartiers anzuregen. Ihnen wurde dadurch die Möglichkeit gegeben, den eigenen Wohnort und die Nachbarschaft als gestaltbar zu erfahren. Auf dem Platz entstand ein Ort, zu dem die Kinder plötzlich einen Bezug hatten, weil sie ihn selber geschaffen hatten. In Zukunft wird er nicht nur als Parkplatz für Autos in Erinnerung bleiben, sondern als Abenteuerspielplatz für Kinder. Das Wecken des Bewusstseins, dass die eigene Meinung bei der zukünftigen Planung des Platzes eine Rolle spielen sollte, gehörte ebenfalls zum Ziel des Festivals.

Was wünschen sie sich?
Wir möchten, dass alles hierbleibt.
Wir wünschen uns, dass ihr noch mal kommt und wir nochmal bauen.
Ich würde ein Haus bauen.
Das würde ich auch. Da können dann alle Leute kommen.
Ich wünsche mir einen Spielplatz für die Kinder, ein Fußballplatz, ein Schwimmbad und ein Haus für Kinder.

Wie kann man den Planungsprozess so gestalten, dass die Bedürfnisse und Wünsche der Anwohner*innen dabei berücksichtig werden? Als Treffpunkt, an dem Kinder, Eltern, Anwohner*innen und Multiplikator*innen aus dem Quartier zusammenkamen, bot sich das Festival an, um Wünsche für die zukünftige Nutzung des Platzes zu sammeln. Diese Anregung zur Wunschproduktion klingt einfach, ist es aber nicht. Denn viele Leute taten sich schwer, damit, etwas Zukünftiges zu denken und ihren eigenen Wünschen Raum zu geben, was vermutlich weniger auf mangelnde Phantasie zurückzuführen ist, sondern eine Reaktion auf die vielen unerfüllten Versprechen ist, mit denen die Menschen hier konfrontiert sind.

Die Kinder also in die Lage zu versetzen, konkret an diesem Ort mitzuwirken, ist daher von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Erfahrung von Teilhabe. Das Bewusstsein für die eigenen Gestaltungsmöglichkeiten wurde gestärkt. Und mit diesem Gut sollte verantwortungsvoll umgegangen werden! Die Offenheit, die die Kinder mitbringen, ist bei den Erwachsenen leider oft einer Lethargie, Angst und Vorurteilen gewichen. Wir haben sie genutzt, um einen Begegnungsraum zu schaffen – im vollen Bewusstsein, dass ein einwöchiges Festival die zum Teil tiefen Gräben zwischen den Anwohner*innen nicht kitten, sondern nur temporär überbrücken kann. Ein Künstler fasst die Bedeutung des gemeinsamen Machens und Überlegens zusammen: „Wenn dieses Wissen, das hier nach einer Woche schon vorhanden ist, später man angewendet wird, wenn sie so eine Experimentalsiedlung bauen, dann wäre das traumhaft. So ist es noch eine Vision – selbstgebaut, aber nicht informell mit Ellenbogenmentalität, sondern organisiert selbstgebaut, aber nicht kapitalisiert privatwirtschaftlich. Das müsste sich verstetigen. Es ist ein weiter Weg so etwas auf eine Stadt zu übertragen, aber viele solche Aktionen bringen wahnsinnig viel.“

Das Festival endete am 13. Juli mit einem großen öffentlichen Fest: Jung und Alt, Kinder und Eltern, Anwohner*innen aus dem Quartier sowie Besucher*innen aus Halle trafen aufeinander, lauschten und tanzten zur Musik der Brazz Banditen, schauten sich die gebauten und zusammengetragenen Ergebnisse an, genossen kostenlose Getränke und Essen.

Im Oktober wird unter dem Titel Netzwerktreffen ein weiteres Zusammenkommen im Südpark veranstaltet, das der Reflexion und dem Austausch diente. Eingeladen sind neben den Projektbeteiligten Menschen, die ähnlich arbeiten wie die Veranstalter*innen und die beteiligten Künstler*innen. Es beginnt mit der öffentlichen Präsentation des Doku-Filmes, den Vincent Zimmer im Sommer gedreht hatte, auf dem Platz ohne Namen, der mittlerweile wieder leer ist. Auf den Gesichtern der Kinder Erstaunen und Freude als sie sich im Film entdecken. Viele sind mit ihren Eltern gekommen, um ihnen zu zeigen, was sie im Sommer gemacht haben. Im Anschluss gibt es Salat, Hummus und Brot und man steht gemeinsam um eine Feuertonne herum. Am nächsten Tag beginnt der Netzwerkteil. Gekommen sind Künstler*innen, Gestalter*innen, Urbanist*innen und Wissenschaftler*innen aus anderen Städten, Ländern und mit unterschiedlichen Ansätzen. Es ist bestärkend von anderen Beispielen zu hören und gleichzeitig wird das Bewusstsein für die eigenen Spezifika gestärkt. Dennoch hat sich der Fokus verschoben: es wird mit Gleichgesinnten „über“ das Geschehene gesprochen, die Erfahrungen diskursiviert, geteilt und in die Welt getragen, aber weniger mit den Akteuren vor Ort gearbeitet. Erfahrungen werden ausgetauscht und von außen auf das Erfahrene geschaut. Auch dieser Teil ist wichtig – denn hier werden Verbindungen geknüpft, wird Wissen geteilt und verbreitet.


Dr. Anna-Lena Wenzel hat den Workshop Was hörst Du? konzipiert und durchgeführt.

© Die Künstler*innen und Kaleidoskop