Die Antworten auf die Fragen, mit denen wir uns im Workshop beschäftigt haben, lassen sich anhand einiger Situationen wiedergeben. Diese Zuordnung ist ein Versuch die Aussagen der Diskussion zu schärfen.
SITUATION 1 – Bienenstock
Wie mit dem Chaos umgehen? Kann man seine künstlerischen Ideen umsetzen oder muss man sie über Bord schmeißen? Die Lebendigkeit als etwas Positives sehen und die Dinge einfach laufen lassen. Sobald man es laufen lässt, funktioniert es auf einmal doch. Offene Situationen in der KINDERJETZTZEIT kreieren: aus dem Moment heraus agieren, und sich das im Projekt zu Eigen machen. Man muss nicht immer alles in den einen großen „Bang“-Moment hineinprojizieren. Aber es braucht minimale Strukturen, an die man sich hält, um den Umgang im bzw. mit dem Bienenstock zu erleichtern.
SITUATION 2 – Selfcare
Wie geht man mit der Überforderung um? Müsste man nicht auch Zeit einplanen für Selfcare, Reflektionsarbeit, um die Erfahrungen auch besprechen zu können, in dem Zeitraum, in dem es passiert? Aber auch die EIGENINTERESSEN und Rollen thematisieren, die man in so einem Projekt einnimmt: Wann ist man Künstler*in, Planer*in, Sozialarbeiter*in, Psycholog*in? Verschiedene Standpunkte: Was ist das Eigeninteresse von uns, warum sind wir hier? [Maik]
Man muss mit Eigeninteresse antreten, um eine gemeinsame Augenhöhe zu entwickeln. Das ist der Unterschied von Kunst und Künstler*innen zu sozialen oder Planungsdienstleistungen. Dafür braucht es Ressourcen und Freiräume.
SITUATION 3 – Raum haben, anbieten und nehmen
Es braucht auch Orte für ruhige Arbeit. Man ist ein akzeptierter Treffpunkt geworden, in dem man einen öffentlichen Ort anbieten kann, nicht zwingend zum diskutieren, sondern einfach zum machen, oder für Einzelgespräche. Der Raum ist schon da und kann weiterhin da sein. Den Raum nutzen, um ins Tun, ins Miteinander zu kommen, ein zweiter Raum zum kochen, zusammenkommen, reden, auch einzeln, der genauso wichtig ist wie der Aktionsraum. Hier stößt man an die Grenzen des Partizipativen I: Carearbeit und Netzwerkarbeit sichtbar machen und nicht nur auf das fokussieren, was sichtbar ist. CARETAKER stärken, die unterschiedlichen Interessen und Themen ins Projekt einbringen können und müssen. Bewusst mit unsichtbarer Arbeit umgehen, in Formate künstlerischer Forschung übersetzen und diese Arbeit auch monetär aufwerten, auch in der Dokumentation.
SITUATION 4 – Zeit nehmen
Die Grenzen des Partizipativen II: Das Engagement vor Ort ist eng mit der Ressource Zeit verknüpft. Ein Projekt so zu gestalten, dass nicht alles auf den einen Moment des Festivals zuläuft, nach dem dann auch alle Ressourcen verbraucht sind. Sondern mit einer Zeitperspektive von 1–1,5 Jahren unterschiedliche INTENSITÄTEN planen können: Zwei Monate vor Ort sein und einzelne Impulse – sogenannte „Bangs – setzen, die dann alleine mit den und durch die Menschen vor Ort weiterlaufen können.
SITUATION 5 – im öffentlichen Raum einschreiben
Das Büro / der Projektraum als Öffentlicher Raum. Ein Ort, der einen Raum aufmacht zum gemeinsamen TUN und gerade nicht zum diskutieren [Anna-Lena]. Im Tun entsteht ein Austausch darüber: Wie soll es sein? Im Machen entstehen Objekte als Markierungen im öffentlichen Raum, in welchem sich Erinnerungsmomente einschreiben. Genauso ein Objekt ist Kaleidoskop. Es entspricht einer Materialisierung des Tuns und prägt darüber den Raum: Kaleidoskop als ERINNERUNGSMONUMENT im öffentlichen Raum. Der öffentliche Raum wird mit Erinnerungsmonumenten bespielt und die Erinnerung materialisiert. [Erik]
SITUATON 6 – Platz planen
Der Platz wirkt erst einmal nicht wie ein richtiger Platz oder DER ORT. Aber über das Projekt wurde herausgefunden, dass es der richtige Ort ist. Und dass es der Quartiersplatz sein könnte, mit der Schule und den ganzen anderen Nutzungen, die daran anschließen. Aus der Situation des Nicht-Platzes heraus wird eine Art Gegenposition zur Planung entwickelt. Das Ergebnis ist dann eine prozessuale Freiraumplanung, in der es einen Container mit Werkzeug und eine Person gibt, die das Werkzeug zugänglich macht, so dass immer weitergebaut werden kann. So kann aus der Situation ein beständiges aber sich zugleich transformierendes Bild für den Ort werden. Durch die beständige Transformation der Handlungen entsteht der Platz statt nur eines Moments wie beispielsweise eine Graffitiwand. Auch subtile, tägliche Nutzungen können darin eingebettet sein, z.B. mit dem Hund Gassi zu gehen.
SITUATION 7 – Sichtbarkeit
In den Austausch mit der Stadt eintreten, als Akteur vor Ort, der sichtbar ist. Dem Stadtplanungsamt erklären, was man hier eigentlich macht: KÜNSTLERISCHE VORPLANUNG als eine Vorbereitung, die ermöglicht, dass sie hier eine gute Planung aufsetzen können. Es ist eine Situation entstanden, auf der man super gut aufbauen kann, um weitere Projekte zu machen. Es gibt viele Potenziale, an die man jetzt direkt anknüpfen kann.
Damit geht auch eine Entscheidung einher: Will man unter dem Radar sein, die Wild-West Situation nutzen und keine große Verantwortung gegenüber anderen übernehmen – oder will man sich institutionalisieren?
ZUKUNFT – behaupten
Größer denken, weiter denken, BEHAUPTUNGEN aufstellen. Den Rahmen setzen und erweitern! Die Behauptung vergrößern: Es braucht zum Beispiel eine zweite Platte in Halle-Neustadt [Adam]. Oder: das Gebäude kaufen. Oder: die ganze Zeile im Erdgeschoss entwickeln, um den Platz, den Treffpunkt zu bauen. Behauptungen aufmachen, die auf dem fundieren, was man hier macht, und sich damit eine Stufe höher bringen, um dann mit den Zuständigen in Verhandlung zu treten. Und um zugleich Räume aber auch einen ganzen Block als Möglichkeitsraum und Potenzial für die Zukunft zu sichern.
Renée Tribble studierte Architektur an der Bauhaus Universität in Weimar. Sie ist Gründungsmitglied und Gesellschafterin der PlanBude Hamburg und arbeitet als freie Planerin für diverse Architekturbüros. Ihre Schwerpunkte liegen in informeller Planung, Prozessgestaltung, Verfahrensmanagement und Beteiligungsprozessen. Seit Oktober 2019 ist sie Gastprofessorin an der Universität Kassel am FB Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung, Institut für Urbane Entwicklungen.
Erik Göngrich verhandelt als Künstler, Architekt, Koch und Verleger stadtpolitische Fragestellungen. In seinen Performances, Architekturen, Skulpturen, Installationen, Publikationen, Spaziergängen, Zeichnungen und Fotografien reflektiert er die Nutzung und Veränderung des städtischen Raumes und wirft einen skulpturalen Blick auf informelle Qualitäten des Öffentlichen.